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Bauern… vom Aussterben bedroht…? 

Viele von Ihnen leisten bestimmt schon einiges für die Natur: Sie trennen den Abfall, haben einen Naturgarten, essen nicht täglich Fleisch, benutzen den Öffentlichen Verkehr oder das Velo, verzichten auf den Kauf des x-ten Paars Schuhe, löschen das Licht, wenn Sie es nicht brauchen. Dafür an dieser Stelle einmal ein Dankeschön. Es ist gut und wichtig, dass Sie sich engagieren! Das tun auch die Bauern und Bäuerinnen in den Bergen, Täler, Agglomeration, überall und Tag für Tag. Meistens unter erschwerten Bedingungen. Sie tragen dazu bei, dass wir wertvolle, gesunde Lebensmittel haben sowie ein schönes, vielseitiges und gepflegtes Berg- Tal- und Naturgebiet.
Daher hier ein Hoch auf unsere wertvolle Landwirte, ein paar Gedankenaustausch und ein grosses Danke! Denn ohne sie hätten wir nicht unsere Lebensmittel, und ohne Lebensmittel hätten wir nicht unsere Backstube!

​​​​​​​Hinter der Bezeichnung Bauer oder Landwirt verbirgt sich heute – Tendenz zur Spezialisierung hin oder her – deutlich mehr als die wortwörtliche „Bewirtschaftung von Land“. Ein Bauer muss heute alles sein, nicht mehr nur Bauer:

  • er muss ein Indianer sein: um die Gräser zu fühlen und zu kaufen, die für seine Tiere bestimmt sind
  • er muss ein Mathematiker sein: um alle möglichen Tabellen auszurechnen und auszufüllen
  • er muss Tierarzt sein: um seine Tiere zu kennen und zu erkennen, wenn sie krank sind und eingreifen
  • er muss ein Unternehmer sein: sich ständig neu zu erfinden und neu anzupassen

Und nebenbei noch: muss sich ein Bauer für harte Arbeit und lange Tage begeistern, einen Allrounder sein, ein guter Verkäufer seiner Produkte, Buchhalter, Ackerbauer, Traktorpilot, Mechaniker, Landschaftsgärtner, Ausdauersportler im Stall, Sprinter bei Saat- oder Erntearbeiten. Und zu guter Letzt die anspruchsvolleren Kunden, die langwierigen Vorschriften, Reformen und das Wetter nicht vergessen. Hut ab von so einer Höchstleistung!

Bauern sein heute, ist ein knallharter Job, vor allem, wenn man ökologisch, tier- und naturnah arbeiten möchte. In Zeiten der Globalisierung haben es auch oder vor allem kleinere landwirtschaftliche Betriebe schwer, der Konkurrenz standzuhalten und die wechselnden Vorgaben umzusetzen. Viele Betriebe kämpfen bis zum Rand der Erschöpfung für den Fortbestand des Hofes, der oft seit Generationen in Familienbesitz ist. Immer mehr Bauernfamilien können nicht allein von der Landwirtschaft leben, sondern müssen noch einer anderen beruflichen Tätigkeit nachgehen.
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Landwirte – warum so wichtig? Sie sind das erste Glied in der Kette der Zivilisation – sie bestellen die Felder, den Boden, formen die Natur und kümmern sich um den Acker. Keine Gesellschaftsform könnte ohne Landwirte bestehen und unabhängig bleiben! Vergessen wir nie die Wichtigkeit unserer Bauern.

In der Schweiz herrschen paradiesische Zustände, der Staat unterstützt die Landwirtschaft fünf- bis zehnmal grosszügiger, als es das Ausland tut. ​​​​​​​1993 wurden auf Grundlage des Verfassungsartikels 104 die Direktzahlungen eingeführt. Sie gelten festgelegte Leistungen zugunsten der Allgemeinheit ab: die Versorgung der Bevölkerung mit nachhaltig und tierfreundlich produzierten, sicheren Lebensmitteln, die Pflege der Kulturlandschaft, die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlange oder die Belebung des ländlichen Raums. Direktzahlung bekommt nur, wer genau geregelte und streng kontrollierte Vorgaben, den ökologischen Leistungsnachweis, erfüllt.

Die (wachsende) Abhängigkeit vom Tropf des Staates ist aber unbefriedigend und dem Berufsstolz abträglich. Bitte nicht missverstehen: das Instrument der Direktzahlungen ist wichtig, aber man hat den Bauer abhängig und süchtig gemacht. Der Bauer wurde zum Subventionsempfänger degradiert. Vielleicht werden die Bauer zu fest unterstützt? Der Bund hat die Bauer stark in den Fingern. Sie werden immer mehr dafür bezahlt, nichts zu machen. Klar sind Ökoflächen wichtig. Wenn sie aber jemand erklären müssen, dass sie Geld dafür bekommen, dass sie Grünflächen nicht mähen, dann versteht man, wenn viele denken, dass Landwirte übermässig subventioniert werden. Am Anfang waren die Beiträge für ökologische Massnahmen da, um Landwirte für dieses Thema zu sensibilisieren. Dadurch hat man viel Gutes erreicht und vielen die Augen geöffnet. Heute muss man sich vielleicht fragen, wo die Grenze liegt. Bauer sollte weiterhin ein freier Beruf sein, und nicht in gewissen Bereichen eingeschränkt zu werden/sein.

Die in die Landwirtschaft bezahlten Milliarden bleiben nicht bei den Bauern, sondern fliessen gleich weiter. In immer mehr Technik, in immer grössere Ställen, in noch mehr Futtermittel, noch stärkere Traktoren. Es geht viel Geld rein und viel wieder raus. Bei den Bauern bleibt sehr wenig. Als Folge gehört heute jeder vierte Bauer in der Schweiz als Working Poor, und jeder Hof mit 20 Hektaren hat eine halbe Million Schulden.

Solange so viel staatliches Geld in der Landwirtschaft geht, fehlt der Anreiz, die Massenproduktion zu verlassen. Lieber verscherbeln die Bauern ihre Produkte zu Tiefpreisen. Ein Einkommen bleibt da nur, weil der Staat sie mit seinen Zahlungen über Wasser hält. Das drückt aber auf die Psyche. Der Selbstwert geht verloren.

Überforderte Bauern, Burnout, Suizide. Bei Bauern hängt alles zusammen: läuft der Hof nicht, kommt kein Geld. Kommt kein Geld rein, kriselt es in der Beziehung. Kriselt in der Beziehung, läuft der Hof nicht. Die Mehr-Generationen-Familie unter einem Dach kann sowohl als Vor- wie auch Nachteil sein: funktioniert die Familie, funktioniert den Betrieb. Und gleichzeitig ist für Kinder und Senioren gesorgt. Funktioniert die Familie nicht, bedroht das die Existenz aller. Die Idylle auf dem Lande täuscht gerne über die Tatsache hinweg, dass der Arbeitsalltag stressig ist. Gerade, weil viele Bauern lieben, was sie tun, ist die Bereitschaft zur Selbstaufopferung gross. Vielleicht zu gross? 12% der hiesigen Landwirte sind Burn-out gefährdet, doppelt so viele wie als bei der übrigen Bevölkerung. Es muss sich was ändern. Nicht nur in der Arbeitseinstellung der Bauern. Agrarpolitik betrifft letztlich die Menschen, die sie umsetzen müssen. Sie gehen in der Debatte viel zu oft vergessen. Dabei sind sie das entscheidende Zahnrad in der Nahrungsmittelproduktion.

Die meisten Bauern wollen ihre Tiere möglichst gut halten. Sie wollen auch in den Tierschutz investieren. Das Problem ist nur: oft fehlt das Geld. Langfristig sind Direktzahlungen vielleicht auch das falsche Mittel, um die Einkommen der Landwirte zu sichern. Die Bauern müssen anständig für ihre Produkte bezahlt werden. Dann können sie auch wieder in das Tierwohl und in den Umweltschutz investieren.

Abgesehen vom Druck, kostengünstig zu produzieren, stellt die Gesellschaft weitere Anforderungen an die Landwirtschaft. Die Konsumenten wünschen sich eine idyllische, kleinstrukturierte Landwirtschaft, eine tier- und umweltfreundliche Produktion sowie die Förderung der Artenvielfalt. Diese Anforderungen sind jedoch immer mit Kosten verbunden, die am Markt über höhere Preise gedeckt werden müssen. Gleichzeitig greifen die Konsumenten, trotz guter Vorsätze, oft zu den billigeren Produkten, ungeachtet deren Herkunft und Produktionsweise. 

Alle anderen Berufsbranchen sind sicher auch nicht einfach zu bewältigen, in das heutige digitale Zeitalter. Es braucht überall knallharte Preiskalkulation, Organisation und Kostenkontrolle. Die Ansprüche sind fast in allen Branchen enorm gestiegen - dennoch bei keiner anderen Berufsgattung scheint es mehr Vorschriften, Auflagen und Volksinitiativen zu geben wie bei der Landwirtschaft. Der Überwachungsapparat droht aus allen Nähten zu platzen. Viele Bäuerinnen und Bauern haben pro Woche 60, 70 oder mehr Stunden Arbeit. ​​​​​​​

Es ist wichtig, den Menschen aufklären über den heutigen Bedingungen der Landwirtschaft, über die Vorschriften, welche eingehalten werden müssen, über das Tierwohl und all die übrigen Rahmenbedingungen. Die Konsumenten sind sich nicht bewusst, wie viel hinter den Produkten steht. Haben keinen Bezug mehr zur Nahrungsmittelproduktion. Doch damit die Konsumenten bereit sind, etwas mehr für die Schweizer Produkte zu bezahlen, müsse diesen die Landwirtschaft wieder nähergebracht werden. Viele haben ein falsches, veraltetes Bild der Landwirtschaft, das „Heidi-Bild“. Friedliche Kühe auf der Weide und stolzen Bauern im Wildheu? Wohl nicht! Nicht nur vom bildlichen Begriff des Bauernsterbens ist da die Rede, sondern von Suiziden verzweifelter Bauern, die den Weg auf den Hof der Zukunft nicht finden. Gestandene Männer die in Tränen ausbrechen, weil sie nicht mehr weiterwissen.​​​​​​​

Aber die Landwirtschaft ist und bleibt wichtig, in der Zukunft wird diese sogar eine noch wichtigere Rolle spielen, mit der Bevölkerungswachstum und die Ressourcenknappheit – denn ohne Lebensmittel funktioniert nichts. Denn zur Lebensmittelerzeugnis ist man auch in Zukunft auf fruchtbare Böden, saubere Luft und sauberes Wasser angewiesen. Aber auch auf zufrieden Landwirte, denn ohne Bauern, auch kein Essen.

​​​​​​​Es gibt viele Menschen mit ihren Höfen, die versuchen einen anderen Umgang mit den Tieren zu entwickeln und zu bewahren. Sie stehen gegen die Industrialisierung des Tieres und der Landwirtschaft. Sie müssen manchmal andere Ideen entwickeln um den Ziel zu erreichen. Faire Produzentenpreise ermöglichen auch Investition und damit Innovation. Das gibt Hoffnung. Der Alltag wird nicht mehr von Milchpreis oder Grossverteiler diktiert. Im Zentrum steht die Eigeninitiative. Daraus wachsen jene Freude und Selbstsicherheit, die Kraft für die Zukunft geben.

​​​​​​​Denn eines ist sicher: wenn die Leidenschaft bei den Bauern einmal zerstört ist, kommt sie nicht so schnell wieder zurück!
Ein Land ohne Nahrungsmittel aus eigenem Boden aber ist – bei allem Geldreichtum – ein armes Land.
​​​​​​​Es lohnt sich daher, in erster Wahl Nahrungsmittel aus regionalen Produzente zu kaufen und zu geniessen.
Dabei brauchen sie Unterstützung durch engagierte Verbraucher.