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Dies ist ein Brief eines Bauern, der einfach mal einen schriftlichen Wutanfall hingelegt hat bei einer Tageszeitung, die Zeitung hat den Brief übernommen, vollkommen unredigiert, samt Schreibfehlern, das muss so sein. Es liegt schon ein paar Jahren zurück, aber wir finden es passt auch heute noch und die Themen sind weiter top aktuell. Man hört es nicht gern. Aber bitte lest das mal und fragt Euch dann, ob er nicht recht hat.

Offener Brief an Dich, den «Verbraucher»

Heute habe ich dermassen die Schnauze voll. Habe heute Morgen die Abrechnung meines Nachbarn von Pommes-Kartoffeln ausserhalb des Vertrages gesehen: 1 LKW = 25 t = 250 SFr. Für die, die nicht rechnen können: das ist 1 Rp pro kg! Und was 1 kg Tiefkühl-Pommes kostet, wisst ihr ja. Irgendeiner macht sich da gewaltig die Taschen voll.

Dann habe ich im Internet die Preise an der MATIF für Getreide und Raps für 2015 gesehen. Und gelesen, dass die Hersteller von Dünger die Preise deutlich angehoben haben. Konsequenz: mir werden in diesem Jahr wohl 25% Gewinn fehlen. Wenn’s reicht! Aber mir reicht’s! Drum habe ich mich entschlossen, dir, dem Verbraucher diesen Brief zu schreiben:

Billig
Du, lieber Verbraucher, willst doch nur noch eines: billig. Und dann auch noch Ansprüche stellen! Deine Lebensmittel soll genfrei, glutenfrei, lactosefrei, cholesterinfrei, kalorienarm (oder doch besser kalorienfrei?) sein, möglichst nicht gedüngt und wenn, dann organisch. Aber stinken soll es auch nicht und wenn organisch gedüngt wird, jedenfalls nicht bei dir. Gespritzt werden darf es natürlich nicht, muss aber top aussehen, ohne Flecken. Sind doch kleine Macken dran, lässt du es liegen. Die Landschaft soll aus vielen kleinen Parzellen bestehen, mit bunten Blumen und Schmetterlingen. Am liebsten wäre es dir wahrscheinlich, wenn wir noch mit dem Pferd pflügen würden. Sieht doch so nett aus und Pferde findest du so süss! Und die Trecker würden dich auch nicht beim Joggen auf unseren Wirtschaftswegen behindern.

Null Ahnung
Du hast keine Ahnung und davon ganz viel. Ist dir eigentlich bewusst, dass wir Landwirte von unsere Hände Arbeit leben müssen? Dass auch wir Anspruch auf Urlaub haben (den wir selten genug machen), dass auch wir Kinder haben, die genau wie deine, ein Smartphone haben wollen und Designerklamotten? Und studieren wollen? Wie sollen wir das den leisten, wenn wir unsere Produkte verramschen (müssen)? Erkläre du mir mal, wie ich anders reagieren kann, als mit noch mehr ausgefeilter Technik einen noch höheren Naturalertrag zu erwirtschaften. Klar kann ich auf Bio umstellen, aber da bekomme ich genau das an Mehrerlös, was ich an Minderertrag habe. Und von einem «guten Gefühl» allein kann ich nicht leben. Darüber lässt sich gut reden, wenn man davon keine Familie ernähren muss.

Formulare
Und was mir noch gewaltig auf den Zeiger geht: Für jeden Scheiss, den ich mache, kann ich ein Formular ausfüllen, werde von Satelliten überwacht ob meine Feldgrenze auch auf den Zentimeter genau eingehalten wird, muss jedes kg Dünger aufschreiben, damit das von Kontrolleuren nachgerechnet werden kann. Dafür, dass meine Produkte auf Rückstände untersucht werden, bezahle ich selbst. Natürlich findet man nichts, aber ist ja Vorschrift. Wie bei BSE damals.

Regional
Du sagst, du würdest regional einkaufen? Stimmt doch nicht! Wer kauft denn jetzt, im Januar (!) die Weintrauben aus Chile, den Spargel aus Südafrika, die Mangos aus Brasilien und Äpfel aus China? Du doch! Sonst würden die beim Discounter das längst nicht mehr anbieten. Aber unsere Rüebli bleiben liegen. Schon mal was von Wirsing gehört, oder Weisskohl? Nein, Artischockenherzen müssen es sein. Falls du dein Essen überhaupt noch selbst zubereitest! Es gibt in der Tiefkühltheke ja so viele leckere Fertiggerichte mit so viele leckeren Zutaten wie E 222 = Natriumhydrogensulfit oder E 310 = Propylgallat. Da klingt ja schon der Name eklig.

Qualität
Auch sonst behauptest du viel: dass Du auf Qualität achtest, dir die Inhaltstoffe auf der Packung jedes Mal durchliest, auf Nachhaltigkeit achtest und überwiegend fair einkaufst. Alles Quatsch: was du liest sind die Wurfzettel vom Discounter: 10 Eier für 1 Euro. Jetzt aber schnell los, bevor die weg sind. Freiland-Eier sind teurer? Egal, die billigen sind ja nur zum Backen.

Gefühl
Warum ich das schreibe? Um dir mal ein Gefühl für meine Situation zu vermitteln. Gefühle sind etwas Irreales, da gibt es kein richtig oder falsch. Die hat man einfach. Aber das mit manchmal die Lust an meinen Beruf vergeht, kannst Du jetzt vielleicht etwas nachvollziehen. Ich weiss auch, dass wir Landwirte keine Heiligen sind, dass es da auch schwarze Schafe gibt. Aber auch nicht alle Ärzte sind Pfuscher, nicht alle Handwerker Gauner, nicht alle Politiker korrupt und nicht alle Polizisten Schläger.
Wir Landwirte wirtschaften aus eigenem Interesse nachhaltig. Das brauchen wir uns von keinem noch so klugen Politiker, noch so schlauen Journalisten oder irgendeinem ahnungslosen Verwaltungsfuzzi sagen zu lassen. Die bekommen ihr Gehalt nämlich jeden Monat, ohne unternehmerisches Risiko.
"Die Natur braucht sich nicht anzustrengen, bedeutend zu sein. Sie ist es"
(Robert Walser, 1878 – 1956, schweizer Schriftsteller)