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Pflanzenkrankheiten, Schädlinge oder Unkraut ​​​​​​​

All das beeinflussen die Landwirtschaft seit Menschengedenken: Mindererträge, schlechte Qualität oder krankmachende Keime sind mögliche Folgen, gegen sich die Landwirte mit Pflanzenschutzmassnahmen wehren. Bereits im Altertum kamen teilweise sehr giftige chemische Mittel dagegen zum Einsatz. Heuschreckenplagen führten im Altertum zu massiven Ernteausfällen. Die Kartoffelfäule sorgte im vorletzten Jahrhundert in Irland für eine grosse Hungersnot, die Millionen von Iren zur Auswanderung nach Amerika trieb. Unkraut macht den Bauern seit Menschengedenken das Leben schwer, weil es nicht nur das Wachstum der angebauten Kulturen behindert, sondern auch Pflanzenkrankheiten übertragen kann. Kein Wunder also, griffen die Bauern schon früh zu Mitteln, um ihre Pflanzen zu schützen. Erst im letzten Jahrhundert wurden spezifischen, weniger schädliche Pestizide entwickelt. Höchste Ziel also, die chemischen Pflanzenschutzmitteln etwas näher unter die Lupe zu nehmen. Die zentralen Fragen sind: Was sind die Alternative? Welche Rolle spielen die Abnehmer und die Konsumenten? Was würde der vollständige Verzicht auf den chemischen Pflanzenschutz bedeuten?

Weltweit werden jährlich 3 Mio. Tonnen Pestizide angewendet, was einem Volumen von rund 25 Mio. Badewanne entspricht. Insgesamt hat sich der weltweite Pestizidverbrauch in den letzten 30 Jahren verdoppelt. Der Pestizidmarkt, der von vier Agrarmultis (Bayer/Monsanto, ChemChina/Syngenta, BASF und DowDupont) dominiert wird, ist heute dementsprechend fast 55 Mrd. US$ wert. Die grössten Absatzmärkte für Pestizide stellen Brasilien und USA dar, welche alleine jeweils einen Fünftel des globalen Pestizidvolumens verbrauchen. Über die Hälfte der Pestizidmenge wird im globalen Süden verspritzt.

In der EU werden jährlich gut 13% des globalen Pestizidvolumens verspritzt. In der Schweiz werden pro Jahr über 2‘000 Tonnen an Pestiziden gespritzt. Aufgrund einer starken Chemielobby, einem schwachen Monitorings-System, Produktsubventionen und geringen Investitionen in die Forschung alternativer Anbausysteme sind Reduktionsbemühungen in der Schweiz bislang erfolglos geblieben. Ähnliches gilt für unsere europäischen Nachbarn. Den Einsatz von „Chemie“ in der Landwirtschaft ist nicht gerne gesehen, es ist ein Reizthema. Glyphosat lässt grüssen: Für die einen ist das Herbizid Heilbringer für die anderen ein Gift, das die Menschheit akut bedroht.​​​​​​​
Glyphosat = ein Alleskiller

Glyphosat ist da am weitesten verbreitete Herbizid. Pro Jahr werden weltweit rund 800'000 Tonnen davon eingesetzt. Zu 90% in der Landwirtschaft, aber auch im Strassen- und Schienennetz, in der Industrie, im Gartenbau und in Privatgärten. Der grösste Glyphosat-Anwender in der Schweiz – neben der Landwirtschaft – ist die SBB. Die SBB benutzt Glyphosat mit einer Sonderbewilligung, um das Schotterbrett unter den Gleisen für Unkrautwuchs zu schützen, den Gleis-Anlagen instabil machen würde. 

Der Glyphosat-Boom begann Mitte der 1990er Jahren mit dem Aufkommen gentechnisch veränderten Nutzpflanzen, die gegen Glyphosat resistent sind. Besprüht man z.B. ein Mais-Feld mit Glyphosat, sterben alle unerwünschten Gewächse ab, während die Nutzpflanze unbeschadet bleibt. Die Aussaat gentechnisch veränderter Organismen ist in der Schweiz verboten. Die Anwendungsformen von Glyphosat sind deshalb fundamental andere als in Südamerika, den USA oder Kanada, was sich im relativ bescheidenen Verbrauch von Glyphosat niederschlägt. Seit 2008 ist die Verkaufsmenge an Glyphosat in der Schweiz um 45% auf 186 Tonnen zurückgegangen.

Dennoch es wird intensiv diskutiert über Sinn und Unsinn der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, obwohl diese ein strenges Bewilligungsverfahren durchlaufen muss bis sie zugelassen wird. In Rückstandsanalysen werden die Toleranzwerte in Schweizer Agrarprodukten nur selten überschritten. Diese Gifte werden auf den Feldern eingesetzt, um alle tierischen Schädlingen von der Blattlaus bis zum Kartoffelkäfer zu vernichten. Doch der Einsatz der Gifte ist auch für Nutzinsekten tödlich. Laut langjährigen Untersuchungen ist die Masse der Fluginsekten wie Wespen, Falter und Käfer sehr zurückgegangen. Ein Grossteil der Insekten ist verschwunden, zudem werden die Gifte für das Bienensterben mitverantwortlich gemacht. Ein weiteres Problem ist, dass sie wasserlöslich sind und nicht in ungiftige Bestandteile zerfallen. Da der Stoff nur schwer abgebaut werden kann, reichert sich das Insektizid im ganzen Ökosystem an. Mittlerweile ist der Wirkstoff auch in Boden, im Wasser und in der Luft nachgewiesen worden.  Dadurch nehmen auch Pflanzen in der Natur den Giftstoff auf und gefährden weitere Tiere.

Die in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten stattgefundene Intensivierung in der Landwirtschaft macht Pflanzenschutzmittel oft unentbehrlich. Weshalb eigentlich? Es beginnt bei der Rationalisierung auf dem Acker: nur die wenigstens Bauern können sich Arbeitskräfte leisten, die stundenlang zwischen Reihen Unkraut jäten oder Kartoffelkäfer ablesen. Mit einem Herbizid oder Insektizid lassen sich hier Kosten einsparen. Oder: um möglichst hohe Erträge zu erhalten, werden beispielweise Zwiebeln möglichst eng gesetzt. Das macht sie aber anfälliger für Krankheiten, zudem bleibt kaum Platz zwischen den Reihen für mechanisches Hacken. Chemischer Pflanzenschutz macht diesen intensiven Anbau teilweise erst möglich. Es gibt alternativen Techniken wie Hackgeräte und Hightech: GPS und intelligente Spritzdüsen, die dafür sorgen, dass die Pestizide gezielt auf die Unkräuter ausgebracht werden.
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Doch es gibt Kulturen, die ohne chemischen Pflanzenschutz bei uns kaum wachsen würden wie beispielweise Kartoffeln. Der Kartoffelanbau ohne Schutz gegen Krautfäule ist heute in der Schweiz kaum denkbar, auch im biologischen Landbau nicht, wo vor allem Kupfer eingesetzt wird. Der Einsatz von Pflanzenschutzmittel machen die Bauer nicht aus Freude, sondern um Qualität und Quantität zu sichern. Wenn man den Abnehmern nicht die geforderte Qualität bieten kann, bleiben sie auf den Produkten sitzen. Vielen Leuten ist auch nicht bewusst, dass auch die meisten biologischen Fungizide, Insektizide oder Düngemittel mit einer Feldspritze ausgebracht werden müssen. Wenn ein Landwirt oder eine Landwirtin mit einer Feldspritze unterwegs ist, kann es durchaus sein, dass in seinem Behälter Komposttee enthalten ist, den er auf die Kulturen verteilt.

Mit Fruchtfolgen vorbeugen

Fruchtfolgen wirken vorbeugend gegen Schädlings- und Krankheitsbefall. Das Prinzip: auf einer Parzelle sollten nach Möglichkeiten nie zwei Mal hintereinander die gleiche Kultur stehen oder Pflanzen der gleichen Familie. So wird verhindert, dass sich pflanzentypischen Schadorganismen auf die Folgekultur ausbreiten. Der Anbau von immer gleichen Gemüsearten auf demselben Beet führt zu einseitigem Nährstoffverbrauch und damit zur Auslaugung und Verarmung des Bodens, ein gute Landwirtschaft wäre eine Dreifelder Landwirtschaft.

Die Dreifelderwirtschaft war die seit dem Mittelalter um etwa 1100 n. Chr. in Europa weit verbreitete Bewirtschaftungsform in der Landwirtschaft. Bei der Dreifelderwirtschaft, die sich im europäischen Mittelalter über Jahrhunderte als dominante Anbauform erhalten konnte, wurde die gesamte Anbaufläche in drei Teile geteilt. Jeder dieser Teile lag ein Jahr brach, das heißt, er wurde nicht bearbeitet und natürlicher Aufwuchs als Weide genutzt. In der Regel wurde im Herbst gepflügt und ein Wintergetreide ausgesät. Das überdauerte den Winter und wurde im folgenden Spätsommer geerntet. Nach nochmaligem Pflügen und regelmäßiger Bodenbearbeitung bis zum Frühjahr (zur Unkrautbekämpfung) wurde ein Sommergetreide ausgesät, das wiederum im Spätsommer geerntet wurde. Bis zum nächsten Herbst wurde die Fläche sich selbst überlassen und begrünte sich von alleine.
Ein weiterer Faktor ist hier die standortgerechte Auswahl der Kultur: Böden sind sehr unterschiedlich und dementsprechend für bestimmte Kulturen besser oder schlechter geeignet.

Viele Landwirte spezialisieren sich auf den Anbau von wenigen Produkten, um rationeller arbeiten zu können. Die Fruchtfolge-flächen sind folglich weniger abwechslungsreich und entsprechend steigt das Risiko von Krankheits- und Schädlingsbefall. Wenn der Abnahmepreis sinkt, versucht der Landwirt die Differenz mit mehr Ertrag zu decken, was wiederum oft auf Kosten von umweltfreundlicheren vorbeugenden Pflanzenschutzmassnahmen geht. Ein klassischer Teufelskreis. Wie in den anderen Branchen gelten mittlerweile auch in der Landwirtschaft die Maxime: Möglichst viel, möglichst effizient, möglichst billig und selbstverständlich in bester Qualität. Mit der Natur als Basis alleine ist da wenig auszurichten.

Um alles unter einen Hut zu bringen, ist der Bauer deshalb auf Hilfe von aussen angewiesen. Eben auf wirksame Pflanzen-schutzmittel zum Beispiel, die verhindern, dass eine Missernte ihn in den Ruin treibt. Denn trotz hohen Anforderungen der Abnehmer trägt der Landwirt das Ausfallrisiko ja immer noch selbst. Solange diese Risiken nicht durch einen ansprechenden Preis abgesichert sind, wird er auf diese Hilfe nicht verzichten können. Aus wissenschaftlicher Sicht ist das vertretbar: Die Pflanzenschutzmittelrückstände, die in den Lebensmitteln zurückbleiben sind so gering, dass sie für die Gesundheit unbedenklich sind. Und auch die Folgen für die Natur sind heute dank moderneren Wirkstoffen weniger gravierend als sie noch zu Zeiten von DDT* waren. Aber sie bleiben.

​​​​​​​* DDT ist ein lang anhaltendes und stark wirkendes Insektenvernichtungsmittel (Insektizid), das man früher mit dem nicht systematischen Namen Dichlordiphenyltrichlorethan benannte. Es wurde im Jahre 1874 erstmals von Othmar Zeidler hergestellt. Die insektizide Wirkung entdeckte jedoch erst Paul Müller im Jahre 1939 in einem Labor der Geigy AG. Müller erhielt für diese Entdeckung den Nobelpreis für Medizin im Jahre 1948.
Durch den massiven Einsatz des Insektizids als Kontakt- und Fraßgift vor allem in den tropischen Ländern konnten viele Krankheiten, die durch Stechmücken, Fliegen und Läuse übertragen wurden, wirksam bekämpft werden. So gingen die Erkrankungen an Malaria, Fleckfieber, Typhus und Cholera in der Folgezeit stark zurück. 1963 wurden weltweit 100000 Tonnen des Insektizids hergestellt und eingesetzt. Nach und nach stellte sich jedoch heraus, dass sich das Gift über die Nahrungskette weltweit verteilte. Aufgrund der Fettlöslichkeit reicherte sich DDT zunächst im Fettgewebe von Fischen und Vögeln und schließlich auch im Menschen an. Schließlich war DDT selbst in der Muttermilch europäischer Frauen nachweisbar. DDT wird von der Umwelt nur langsam abgebaut, es ist sehr umweltgefährlich und wirkt in geringen Konzentrationen tödlich für Krustentiere und Fische. DDT steht auch im Verdacht, Krebs zu erzeugen.  
Heute ist die Produktion und der Einsatz von DDT in den meisten europäischen Ländern verboten (seit 2004), während es in vielen Entwicklungsländern immer noch hergestellt wird. Ein weiteres Problem ist die zunehmende Resistenz der Schädlinge, so dass immer neue Insektizide erfunden werden müssen.

Fazit

Tatsache ist: die Landwirte setzen Pflanzenschutzmittel nicht zum Spass ein. Sie schützen damit ihre Kulturen vor Krankheiten, Schädlingen oder Unkräutern und stellen eine verkäufliche Ernte sicher. Die Anforderungen des Handels und der Konsumenten sind streng. Sie akzeptieren kein Obst mit Pilzflecken, Gemüse mit Läusen oder Kartoffeln mit Drahtwurmlöchern. Auch die Lagerfähigkeit muss gewährleistet sein. Die Bauernfamilien leben vom Verkauf ihrer Produkte, sie können es sich nicht leisten, nichts zu tun und zuzuschauen, wie die Käfer ihre Ernte zerstört. Aber sie sind sich bewusst, dass es Probleme im Zusammenhang mit den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gibt.

Die Devise beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln: so wenig wie möglich, so viel wie nötig. Pflanzenschutzmittel sind auch ein Kostenfaktor, deshalb ergreifen die Landwirte zahlreiche Vorbeugemassnahmen wie Fruchtfolgen, der Einsatz von besonders robusten Sorten oder eine sorgfältige Bodenbearbeitung. Sie arbeiten mit modernen Maschinen und Techniken, welche zielgenau arbeiten. Neue Sorten von Anbautechniken könne praxistaugliche Alternativen mit sich bringen. Neue und präzisere Technologien sind bereits entwickelt oder stehen kurz vor dem Durchbruch. Der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln steht also auch in einem direkten Zusammenhang mit dem Einkaufsverhalten von Abnehmern und Konsumenten. Solange die Tendenz anhält, dass Naturprodukte immer mehr nach industriellen Kriterien angebaut werden müssen, wird der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft unverzichtbar bleiben.

Es sind die Kollateralschäden einer modernen Landwirtschaft, die man in Kauf nehmen muss, wenn ein Natur- zu einem Industrieprodukt gemacht wird. Zumal auch die Anbaufläche für den Anbau von Landwirtschaftsprodukten immer kleiner wird, der Selbstversorgungsgrad mit einheimischen Produkten aber bewahrt werden soll und das bei einer ständig zunehmenden Bevölkerungszahl.

MIST?? Ich, die Natur, produziere keinen "Mist"
Alles, was in meinem Kreislauf produziert wird, hat einen bestimmente Nutzen. Ich begrüsse die Rückführung intensivere Äcker, Weisen und
Weiden in weitgehend naturbelassenem Lebensraum. Denn nur so kann ich den Kreislauf vom kleinsten bis zum grössten Geschöpf der Natur erhalten. Für Dein Verständnis danke ich Dir Mensch